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Die These „Strom aus Großkraftwerken verstopfe die Stromleitungen“ ist nicht haltbar

PRESSEMITTEILUNG 03/2016 

Bedeutung der synchronisierten Erzeugung für die Versorgungssicherheit

Köln (09.06.2016) – Wind- und PV-Anlagen brauchen verlässliche Partner. Ohne synchronisierte Stromerzeugungsanlagen können die witterungsabhängigen Wind- und PV-Anlagen nicht betrieben werden. Ein jederzeit verfügbarer und regelbarer Kraftwerkspark muss bereit stehen, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht. Auch bei hohem Wind- und PV-Stromangebot kann eine sichere Stromversorgung nur mit synchronisierten Erzeugungsanlagen gewährleistet werden. Dafür stehen die Begriffe Systemdienstleistung und Mindesteinspeisung. Der Betrieb von Kohlen- und Gaskraftwerken ist also aus zwei Gründen unverzichtbar.

Die Entscheidung, die Nutzung der Kernenergie hierzulande bis zum Jahr 2022 zu beenden und der weitere Ausbau von Wind- und PV-Erzeugung sind die maßgeblichen stromwirtschaftlichen Randbedingungen der kommenden Dekaden. Hieraus ergibt sich die Frage, wie eine sichere Stromversorgung und die Netzstabilität gewährleistet werden.

Die Frequenz von 50 Hz ist der Takt, nach dem das Stromnetz arbeitet. Synchronisierte Stromerzeugungsanlagen sind fest an diese Frequenz gebunden und halten sie in einer Bandbreite von 49,8 bis 50,2 Hz. Steigt die Stromabnahme sinkt die Frequenz und sofort muss mehr Leistung ans Netz gebracht werden, sonst bricht es zusammen (Regelleistung). Das gilt umgekehrt bei sinkendem Strombedarf. Typische Anlagen, die synchronisiert mit dem Netz Strom erzeugen, sind Wärmekraftwerke, die einen Dampfkreisprozess nutzen und Uran, Kohle sowie Gas als Brennstoff einsetzen.

Wind- und PV-Anlagen sind einerseits witterungsabhängig und deswegen nicht immer verfügbar, andererseits werden sie ganz überwiegend nicht synchronisiert betrieben. So nutzt man z. B. Wechselrichter, um Wind- und PV-Anlagen ans Netz anzuschließen. Dieser, über eine Leistungselektronik erzeugte Wechselstrom, wird vereinfacht gesprochen auf die im Netz bestehende Frequenz aufgespielt, die von den synchronisierten Anlagen stabil gehalten wird. Selbst wenn einige Windanlagen synchronisiert arbeiten, können sie Systemdienstleistungen nur sehr eingeschränkt erbringen, weil sie bei Flaute nicht zur  Verfügung stehen und hinsichtlich der Leistung nur ab- aber nicht aufgeregelt werden können.

Synchronisierte und witterungsunabhängige Stromerzeugungsanlagen sind für den stabilen Netzbetrieb also unverzichtbar. Man spricht von Systemdienstleistungen und einer Mindestlast. Damit allerdings wird die Strommenge begrenzt, die aus Wind- und PV-Anlagen in das Netz eingespeist werden kann. Mit der Integration wetterabhängiger PV- und Windleistung in das Stromsystem sind demnach zwei Fragen verknüpft.

Zunächst müssen konventionelle Kraftwerke immer dann verfügbar sein, wenn der Wind nicht weht oder die Sonne nicht scheint. Die geringste gleichzeitige Einspeisung von Wind und PV liegt bei kleiner 1 % der Kapazität, d. h. bei wenigen hundert Megawatt.1 In diesem Kontext sind auch Laständerungen zu beherrschen, die im Bereich Wind und Photovoltaik auftreten können. Stichworte hierzu sind „größter Viertelstunden- oder Stundensprung“. Dabei sind steile Gradienten bei Anstieg und Abfall der Leistung sehr herausfordernd. Sie wurden allerdings im Zusammenwirken der thermischen Kraftwerke und Pumpspeicheranlagen bisher immer sicher beherrscht.

Wenn konventionelle Kapazitäten hochgefahren werden, steigt der Anteil der Synchronmaschinen an der Last und damit die Netzstabilität. Wenn aber in großem Umfang nicht regelbare oder nicht synchronisierte Leistung ins Netz eingespeist wird, ist zu fragen, wie dann die Systemstabilität weiter gewährleistet werden kann. In diesem Fall müssen die synchronisierten Erzeugungseinheiten zwar in ihrer Last zurückgenommen werden, hinsichtlich Frequenz und Spannungshaltung, Blindleistung und Kurzschlussstromerkennung bleibt aber der Betrieb einer Mindestkapazität erforderlich.

Diese Mindestkapazität wird für Deutschland – Netzlast 40.000 bis 80.000 MW – auf eine Größenordnung von 10.000 bis 20.000 MW geschätzt. ² und ³ Diese Leistung kann aber nicht aus wenigen Anlagen kommen, die in Volllast laufen und/oder regional konzentriert sind, sondern es ist erforderlich, viele und im Netz gut/richtig verteilte Anlagen möglichst im Teillastbetrieb verfügbar zu haben. Dies bedeutet, dass über das gesamte Bundesgebiet gesehen Braunkohlen-, Steinkohlen-, Kern- und Gaskraftwerke immer am Netz bleiben müssen. Damit ist die Aufnahmefähigkeit des Stromsystems für EE-Strom eingeschränkt auf die Differenz zwischen Netzlast einerseits sowie Mindesteinspeisung synchronisierter und regelbarer Leistung andererseits. Synchronisierte Erzeugungseinheiten verstopfen das Netz also nicht, sie sind eine unabdingbare Voraussetzung für die Integration von Wind und PV.

Fazit:

Solange keine anderen Technologien verfügbar sind, um die unverzichtbaren Systemleistungen konventioneller Kraftwerke umfänglich zu übernehmen, bleibt die Einspeisung einer synchronisierten Mindestlast auch bei hohem Wind- und PV-Angebot notwendig. Dies gilt um so mehr, da der Ausbau der Stromnetze hinter den Erfordernissen zurückbleibt.

Für einen insgesamt erfolgreichen Transformationsprozess ist nicht entscheidend, wie schnell die erneuerbaren Energien ihre Stromerzeugung steigern und damit Stromarbeit aus konventioneller Stromerzeugung verdrängen, sondern wie das Miteinander im Interesse von Sicherheit und Wirtschaftlichkeit optimal gestaltet wird. Es geht um ein stabiles Stromsystem und um die dafür aufzuwendenden Kosten. Dies gilt auch für die Systemdienstleistungen und eine Mindesterzeugung in Zeiten einer hohen EE-Stromerzeugung. Die Kohlenkraftwerke sind insgesamt infolge der kontinuierlichen Neubau- und Modernisierungsprogramme gut auf die neuen Anforderungen der Lastveränderungen im Netz sowie die Aufrechterhaltung der Systemstabilität vorbereitet. Die bestehenden Anlagen sind auf viele Jahrzehnte unverzichtbar, selbst wenn die Auslastung langfristig sinkt.

Langfristig werden technische Lösungen gesehen, um die Mindesterzeugung aus konventionellen Kraftwerken zu reduzieren. Dafür wären „teilweise umfangreiche Anpassungen der rechtlich-regulatorischen und energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen“ erforderlich, die zudem zu „hohen finanziellen Aufwendungen“ führen würden, so consentec.³

 

¹ Dyllong/Maaßen: Beitrag von Wind- und Photovoltaik-Anlagen zu einer gesicherten Stromversorgung. In: et, Zukunftsfragen, 64. Jg. (2014), Heft 11, Seiten 42-45

² Prognos: Bedeutung der thermischen Kraftwerke für die Energiewende. Berlin, 7. November 2012

³ consentec: Konventionelle Mindesterzeugung – Einordnung, aktueller Stand und perspektivische Behandlung. Aachen, 25. Januar 2016

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