Rechtliche Grundlagen
Mit dem Kohleverstromungsbeendigungsgesetz (KVBG) legte die damalige Bundesregierung den Ausstieg Deutschlands aus der Verstromung von Stein- und Braunkohle gesetzlich fest. Dem KVBG ging ein intensiver gesamtgesellschaftlicher Austausch voraus.
Im August 2020 trat das Kohleverstromungsbeendigungsgesetztes (KVBG, auch Kohleausstieggesetz) mit dem Ziel in Kraft, die Erzeugung elektrischer Energie aus Stein- und Braunkohle in Deutschland bis Ende 2038 „sozialverträglich, schrittweise und möglichst stetig zu beenden“ (§ 2 Abs. 1 KVBG). Gleichzeitig soll weiterhin eine sichere, preisgünstige, effiziente und klimaverträgliche Energieversorgung gewährleistet bleiben. Mit der stetigen Außerbetriebnahme von Kraftwerksblöcken leistet die Braunkohleindustrie einen erheblichen Beitrag zur Emissionsreduzierung und zur Energiewende in Deutschland.
Das KVBG beruht auf den Empfehlungen der Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung (KWBS, manchmal vereinfachend auch Kohlekommission genannt). Die KWBS wurde im Juni 2018 von der deutschen Bundesregierung eingesetzt, um Maßnahmen zur sozialen und strukturpolitischen Entwicklung der Braunkohleregionen sowie deren finanziellen Absicherung zu erarbeiten. Teil der Kommission waren Vertreter aus Politik, Wissenschaft, Verbänden, Gewerkschaften, Bürgerinitiativen, Umweltorganisationen sowie der deutschen Wirtschaft. Die Empfehlungen der KWSB und damit das KVBG sind ein gesamtgesellschaftlicher Kompromiss, der für Planungs- und Rechtssicherheit sorgt.
Das KVBG schreibt in § 54 Abs. 1 iVm §§ 47 & 56 KVBG auch die regelmäßige Überprüfung des Braunkohleausstiegs vor. Zu den sogenannten Checkpoints ist die Bundesregierung verpflichtet, jeweils bis zum 15. August der Jahre 2022, 2026, 2029 und 2032 folgende Punkte auf wissenschaftlicher Grundlage prüfen:
- die Auswirkungen der Reduzierung und Beendigung der Kohleverstromung auf die Versorgungssicherheit, die Wärmeversorgung, den Strompreis sowie die Versorgung mit Rohstoffen, insbesondere Gips,
- die Anzahl der von Kohle auf Gas umgerüsteten Anlagen,
- die Einhaltung für die Beendigung der Kohleverstromung festgeschriebenen Zielniveaus und Zeitschienen,
- den Beitrag zur Erreichung der mit dem Gesetz verbundenen Klimaschutzziele,
- zusätzlich 2022: die Sozialverträglichkeit des Braunkohleausstiegs und
- zusätzlich 2026, 2029 und 2032: ob die Stilllegung der Braunkohleanlagen nach 2030 jeweils bis zu drei Jahre vorgezogen und damit das Abschlussdatum 31. Dezember 2035 erreicht werden kann.
Die Überprüfung wird durch eine Expertenkommission bewertet. Die Kommission legt der Bundesregierung zudem Empfehlungen vor, die veröffentlicht werden. Des Weiteren Zudem ermittelt die Bundesnetzagentur für die Überprüfung des Braunkohleausstiegs, ob die vorhandenen Gasversorgungsnetze ausreichen, um die Braunkohlekraftwerke auf Gas umzurüsten.
Das KVBG ermächtigt in § 49 KVBG das BMWK (damals BMWi) zum Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrags im Namen der Bundesregierung mit den Betreibern Braunkohleunternehmen. Ein solcher Vertrag wurde am 10. Februar 2021 vom BMWi unter anderem mit RWE, LEAG, EnBW und Saale Energie geschlossen. Der Vertrag regelt die Stilllegung der deutschen Braunkohleanlagen und die hierfür zu zahlenden Entschädigungen im speziellen. Diese müssen die Braunkohleunternehmen für die Wiedernutzbarmachung der vom Bergbau beanspruchten Flächen verwenden. Der öffentlich-rechtliche Vertrag schafft eine zusätzliche Planungs- und Rechtssicherheit, auch weil sich die unterzeichnenden Unternehmen verpflichteten, nicht rechtlich gegen den nach KVBG beschlossenen Braunkohleausstieg vorzugehen.
Energieregion bleiben
Mit Blick auf das Ende der Braunkohleverstromung bis 2038 vollzieht sich in den Braunkohleunternehmen und den Revieren ein Wandel hin zu einer neuen Energiewelt.
In den bestehenden Wirtschaftsstrukturen der Regionen Rheinland, Lausitz und Mitteldeutschland ist die Braunkohleindustrie weiterhin ein zentraler Wirtschaftszweig. Gleichzeitig nutzen RWE, LEAG und MIBRAG ihr Know-How in der Stromerzeugung und -vermarktung, um die Regionen langfristig in Richtung der sogenannten neuen Energiewelt umzubauen. Neben dem Ausbau der erneuerbaren Energien und der Herstellung von grünem Wasserstoff entwickeln die Unternehmen innovative Kraftwerke und Speicherlösungen, um den Strom aus Regenerativen mit gesicherten Leistungen zu koppeln. Ziel der Braunkohleunternehmen ist es, als Energieunternehmen ihren Versorgungsauftrag auch in Zukunft zu erfüllen.
Gerade die Bergbaufolgeflächen eigen sich besonders gut zur Ansiedlung von Windkraft- und Photovoltaikanlagen. Als große, zusammenhängende Planungsräume mit oft ausreichendem Abstand zu Wohnsiedlungen sind es konfliktarme Flächen, auf denen sich eine kooperative Nutzung für Landwirtschaft, Natur, Erholung und die Energieerzeugung verwirklichen lassen. Mit dem aus den regenerativen Energiequellen gewonnenen Strom lässt sich unter anderem grüner Wasserstoff produzieren. Damit bleiben die Reviere weiterhin Energieregionen mit einer entsprechenden Wertschöpfung für die ansässige Bevölkerung, die Kommunen und Gemeinden.
Die Kraftwerksstandorte von RWE und LEAG befinden sich ebenfalls im Wandel. Neben der Umrüstung der Kraftwerke auf Gas stehen neuartige Kraftwerkskomplexe im Fokus der Unternehmen, die als Flexibiltätswerke den aus erneuerbaren Energien erzeugten Strom speichern oder zum Beispiel durch die Herstellung von Wasserstoff veredeln können. Auch der Bau von Energie- und Verwertungsanlagen zur energetischen Verwertung von Ersatzbrennstoffen ist an einigen Kraftwerksstandorten in Planung.
Die Unternehmen forschen an ihren Standorten zur Zukunft der Energieversorgung und entwickeln hierfür neue Technologien sowie Lösungen. Im Rheinischen Revier betreibt RWE das Innovationszentrum am Kraftwerksstandort Niederaußem. Hier wird unter anderem zur rohstofflichen Nutzung von Kohlendioxid geforscht. In der Lausitz entwickelt die LEAG unter anderem mit der BigBattery Lausitz eine Lösung zur Speicherung erneuerbarer Energien. In Mitteldeutschland beteiligt sich die MIBRAG über verschiedenen Tochterunternehmen an verschiedenen Projekten zur Energieversorgung abseits der Braunkohle.
Umbau des Stromsystems
Der von der Bundesregierung geplante massive Ausbau der erneuerbaren Energien erfordert auch einen Stromnetzumbau sowie -ausbau.
Die Erzeugungskapazitäten von Wind- und Photovoltaikanlagen sind witterungs- und tageszeitabhängig und nicht bedarfsorientiert. Daher bedarf es zusätzlich flexibler Kraftwerke und Langzeitspeichersysteme, welche die Nachfrage steuern können. Der von der Bundesregierung gesetzlich festgelegte massive Ausbau der erneuerbaren Energien sowie der wachsende europäische Stromhandel erfordern in den kommenden Jahren zudem einen Ausbau der deutschen Höchstspannungs- und Fernleitungsnetze.
Das Gesetz zum Ausbau von Energieleitungen (EnLAG) listet die Vorhaben auf, mit denen das Übertragungsnetz ausgebaut werden muss. Das Bundesbedarfsplangesetz (BBPlG) wiederum regelt den Ausbau sowie den Neubau von Höchstspannungsleitungen. Vier Mal im Jahr veröffentlicht die Bundesnetzagentur zum Planungs- und Baufortschritt einen Monitoringbericht. Mit Stichtag 30. Juni 2022 waren von den insgesamt 101 Netzausbauvorhaben mit einer ungefähren Gesamtlänge von 12 234 Kilometern 2 134 Kilometer fertiggestellt.
Am 14. Januar 2022 bestätigte die Bundesnetzagentur den Netzentwicklungsplan (NEP) 2021–2035. Der NEP bestätigt die Maßnahmen, die für einen sicheren und zuverlässigen Netzbetrieb im Jahr 2035 erforderlich sind. In diesem wurden im Vergleich zum geltenden Bundesbedarfsplan rund 1.000 zusätzliche Trassenkilometer festgestellt. Das bedeutet einen Neubau von 2.600 Trassenkilometern. Hinzukommen Verstärkungen bereits bestehender Verbindungen.
Mediathek
- Braunkohlentag Braunkohlenindustrie fordert verlässliche Perspektive
- Politik Nordrhein-Westfalen fordert schnelle Umsetzung der Kommissions-Empfehlungen
- Braunkohle Relevanz für Volkswirtschaft und Strukturwandel wird unterschätzt
- Lausitz Flexibilität und Leistungsfähigkeit der LEAG-Kraftwerke werden nochmals gesteigert
- Rheinland Rekultivierung schafft große Struktur- und Artenvielfalt
- Mitteldeutschland Stoffliche Nutzung der Braunkohle in Mitteldeutschland
- Mitteldeutschland Wassermanagement sorgt für einen selbstregulierenden Wasserhaushalt
- Diskussion Die betroffenen Menschen wollen Ehrlichkeit und Perspektiven
Hintergrund:
In Deutschland sollen die Treibhausgasemissionen bis 2050 um 80-95% gegenüber 1990 verringert werden. Diese Zielsetzung hat die Bundesregierung zuletzt im Klimaschutzplan 2050 bekräftigt und um ein Minderungsziel für 2030 – minus 55% gegenüber 1990 – ergänzt. Darüber hinaus hat die Bundesregierung im Klimaschutzplan 2050 für 2030 auch nationale Zwischenziele für einzelne Sektoren festgelegt, so auch für die Energiewirtschaft mit minus 61-62%. Damit reguliert sie die CO₂-Emissionen der Sektoren Energiewirtschaft und Industrie zusätzlich auf nationaler Ebene, obwohl mit dem europäischen Emissionshandel (EU-ETS), bereits ein europäisches, marktwirtschaftliches und technologieoffenes Instrument existiert, das den CO₂-Ausstoß dieser Sektoren auf EU-Ebene verbindlich, zielgenau und kostenoptimal bis 2030 um 43% gegenüber 2005 reduziert und damit auch zu einer CO₂-Minderung in Deutschland führt.
Untersuchungsgegenstand der Studie:
Die Studie zeigt die Folgen des im Klimaschutzplan 2050 festgelegten und im Koalitionsvertrag bestätigten nationalen 2030-Sektorziels für die Energiewirtschaft. Als Vergleichsmaßstab wird dabei die Situation vor Einführung des Sektor-ziels, also eine reine Fortführung des Emissionshandels ohne zusätzliche Maßnahmen, herangezogen. Dabei werden die unmittelbaren und mittelbaren Folgen des aus dem Sektorziel 2030 resultierenden beschleunigten Rückgangs der Braunkohleverstromung für die Volkswirtschaft und den Strukturwandel abgeschätzt. Mögliche Auswirkungen disruptiver Effekte wie Strukturbrüche und Versorgungsengpässe sind nicht Gegenstand der Untersuchung, würden die Folgewirkungen aber deutlich verschärfen.
Methodischer Ansatz:
Die vorliegende Studie zeigt die Effekte eines beschleunigten Ausstiegs aus der Braunkohleverstromung, also den Unterschied zwischen einer staatlich verordneten Kraftwerksschließung (Szenario Klimaschutzplan, kurz „KSP“) und des durch die ursprünglichen Parameter der Energiewende erwarteten Pfades (Szenario Europäischer Emissionshandel, kurz „EU-ETS“). Dabei werden nicht nur die Effekte auf die Energiewirtschaft und die Braunkohle selbst, sondern auch die Konsequenzen für die Reviere betrachtet. Quantifiziert werden insbesondere die Auswirkungen in der Braunkohlewirtschaft und die Rückwirkungen auf die Beschäftigung. Die Auswirkungen auf die Wertschöpfung in anderen Sektoren, wie z.B. der (energieintensiven) Industrie, werden im Rahmen der vorliegenden Studie qualitativ erläutert.
Das Braunkohlenkraftwerk mit optimierter Anlagentechnik – Bau und Inbetriebnahme
Dauer: 6:12 min
Copyright: RWE Power